Sonntag, 14. August 2016

Die Spiele aus brasilianischer Sicht

Ich bin in einem Raum mit sechs TV-Geräten und kann somit sechs verschiedene Wettbewerbe gleichzeitig sehen. Trotzdem sehe ich nicht alle Wettkämpfe. Das was der Zuschauer zu Hause empfängt hängt also stark von der Auswahl, die der Fernsehsender trifft ab. Es kann sogar innerhalb einer Sportart ausgewählt werden. Beim Mannschaftsturnen waren die deutschen und die brasilianischen Frauen gleichzeitig an den Geräten. Während das brasilianische Fernsehen nur die brasilianischen Turnerinnen zeigte, haben sich die deutschen TV-Anstalten sicherlich auf de deutschen Athletinnen konzentriert.
Das bedeutet, daß die Spiele in verschiedenen Ländern der Welt ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Brasilien steht unter einem ganz besonderem Stress, da das Land sich als Gastgeber gut darstellen möchte. Organisatorisch sind die Brasilianer bisher zufrieden, denn es gab keine größeren Pannen, keinen Terroranschlag und alle Wettbewerbe fanden ordnungsgemäß statt. Das wird in Deutschland ganz anders dargestellt, denn in deutschen Zeitungen habe ich schon viele Beschwerden, über fehlenden Strom, den chaotischen Verkehr, die Beschneidung der Meinungsfreiheit oder einen Überfall auf amerikanische Athleten gelesen.
Unzufrieden sind die Basilianer allerdings mit ihrer Medaillenausbeute. Im Moment hat Brasilien sechs Medaillen gewonnen (1xSchießen, 2xTurnen und 3xJudo). Somit überrascht es kaum, dass diese Sportarten, plus Fußball und Basketball, im Mittelpunkt des Interesses stehen. An diesen Sportarten werden gewissen soziale Themen des Landes diskutiert.
Die heftigste Diskussion ist bisher eine Art Krieg der Geschlecher, der besonders an den guten Darbietungen der Fußballfrauen und dem enttäuschenden Auftreten der Fußballmänner festgezurrt wird. Nach dem Auftreten gestern Abend gegen Kolumbien haben die Männer wieder etwas an Boden gewonnen und in Sozialen Netzwerken kommt das Wort „Mödchen“, will heißen „Fashionvictim“ auf. Es wirft Personen, die die Frauenmannschaft unerstützen vor, einer Mode hinterher zu rennen.
Es wird auch oft betont, dass Frauen weniger verdienen, als Männer und somit die Medaillen von Rafaela Silva und Mayra Aguiar mehr wert seien. Es kommt inzwischen der Begriff der „Spiele der Überwindung“ auf. Damit bezieht man sich auch auf die Siege von Monica Puig im Tennis und Majlinda Kelmendi, die die ersten Medaillen überhaupt für ihre Länder Puerto Rico und Kosovo gewinnen konnten. Im Gegensatz dazu wurde die Pioniertat der Rugbier aus Fidschi praktisch übersehen.
Besonders der Sieg von Rafaela Silva deutet eine ander wichtige Diskussionslinie an, die sich auf den brasilianische Rassismus bezieht. Erneut wird oft darauf aufmerksam gemacht, wie wenig Unterstützung Rafaela bekommen hat und wie sehr sie gegen unsichtbare Barrieren ankämpfen musste. Am Dienstag wird Robson Conceição um Gold boxen und sicherlich ähnliche Kommentare provozieren. Heute hat Arthur Nory im Turnen Bronze gewonnen. Nory ist vor ein paar Monaten durch Videos im Internet mit rassistischem Inhalt aufgefallen.  
Die brasilianische Presse liebt es jedes Duell zwischen Brasilien und Argentinien als Klassiker darzustellen. Somit wird jedesmal die Stimmung angeheizt und in der Folge wächst die Angst vor Fanausschreitungen. So gab es gestern vor dem Basketballduell der beiden Nachbarn mehrere „Friedensaktionen“. Der brasilianische Spieler Anderson Varejão hat zum Beispiel ein Video aufgenommen, in dem er zu einem friedlichen Spiel aufruft. Es wurden aber auch verstärkt Artikel, die die freundlichen argentinischen Fans darstellen, produziert.

Aber der wichtigste Sport bleibt der Fußball und da dämmert es den Brasilianern gerade, dass sowohl bei den Männern, als auch bei de Frauen, eine große Chance auf ein Finale Brasilien – Deutschland, besteht. Das ruft natürlich Erinnerungen an 2014 hervor und so beginnen die ersten Witze mit der Zahlenkombination 7:1 im Internet zu erscheinen. In Diskussionsrunden sehnen sich einige Fans das Duell gegen Deutschland herbei, um Rache zu nehmen, andere würden Deutschland hingegen gerne vermeiden. Das Trauma steckt immer noch tief.

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